Sprungbrett in die Selbstständigkeit
Sie arbeiten in komplett unterschiedlichen Bereichen – Hairstyling und additive Fertigung. Und doch haben Chantale Ambühl, Jonas Hirzel und Marcel Gisler etwas gemeinsam: Die höhere Berufsbildung hat sie motiviert und befähigt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen.
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Sowohl Jonas Hirzel (links), der mit Marcel Gisler Unlimital aufgebaut hat, als auch Chantale Ambühl haben als Diplomarbeit einen Buisnessplan geschrieben.
Text: Irene Reis / Bilder: Christoph Arnet
Publikation im Zebi Magazin, 31. Oktober 2025
Chantale Ambühl ist Hairstylistin und Inhaberin der meisterwerk – hair & style GmbH in Sursee. Heute ist dies ein renommiertes Coiffeur- und Stylinggeschäft mit sieben Mitarbeiterinnen, darunter zwei Lernende. Gegründet hat sie ihr Unternehmen im November 2021, damals als Einfraubetrieb.
Chantale wusste früh, dass sie «etwas mit Menschen» machen wollte. «Ich war nicht die beste Schülerin, wa eine Minimalistinund habe mein Potenzial in der obligatorischen Schule nicht genutzt», erzählt die 30-Jährige. «Aber ich wusste genau, dass ich ein Handwerk erlernen will, bei dem ich kreativ sein kann.» Mit dem Beruf Coiffeuse EFZ hat sie das gefunden.
Nach der Lehre wuchs der Wunsch, selbstständig zu werden. Bald kam das erste Angebot, einen Salon zu übernehmen. Es reizte sie, ihre eigene Chefin zu sein und ein Geschäft ganz nach ihren Vorstellungen zu führen. Doch: «Ich habe es mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugetraut.»
Arbeit am Stuhl: Chantale schätzt den direkten Austausch mit Ihren Kundinnen und Kunden.
Sie absolvierte viele Weiterbildungen, wie die DiplomHandelsschule, ein Didaktikmodul sowie die Berufsprüfung mit eidg. Fachausweis. Die entscheidenste war die höhere Fachprüfung Coiffeuse mit eidgenössischem Diplom am Gewerblichindustriellen Bildungszentrum Zug (GIBZ).
Während der berufsbegleitenden Ausbildung erlernte sie Finanzplanung, Unternehmensführung, Personalführung, Marketing und vieles mehr. Genau dies ist das Ziel einer höheren Berufsbildung. Sie ermöglicht Berufsleuten eine Spezialisierung oder eine Vertiefung des Fachwissens und befähigt Absolventinnen und Absolventen, mit ihren erworbenen Qualifikationen Fach und Führungsverantwortung zu übernehmen. Chantale bestätigt: «Das hat mir das Selbstvertrauen und fundiertes Wissen gegeben, mein eigenes Geschäft zu eröffnen.» Ihre Diplomarbeit widmete sie passenderweise dem Businessmodell ihres künftigen Salons.
Innovation mit 3D-Druck
Ähnlich erging es Jonas Hirzel. Der gelernte Konstrukteur EFZ kam bei seiner Anstellung nach der Lehre mit Metall 3DDruck in Kontakt. «Ich wusste sofort, dass diese Technologie Potenzial hat. Sie ist prozessreif und der Markt ist noch nicht gesättigt.» Angetrieben von dieser Überzeugung und mit der Vision eines eigenen Betriebs begann er die Weiterbildung zum dipl. Techniker Unternehmensprozesse HF an der Schweizerischen Fachschule TEKO.
Nicht nur den Wunsch nach Selbstständigkeit teilt er mit Chantale. «Bis zur Oberstufe war ich nicht immer motiviert. Doch diese Weiterbildung ging wie von allein, das hat mich einfach gepackt.» Schon während der Weiterbildung konkretisierte er seine Vision in einem Businessplan. Dass dies seine Diplomarbeit werden würde, lag auf der Hand. Genau wie Chantale gründete der 30Jährige im November 2021 sein Unternehmen.
Von Studienkollegen zu Partnern
Für Jonas war klar, dass er dieses komplexe Unterfangen nicht allein stemmen konnte. Deshalb formierte sich das Team mit Stefan Affentranger als Abteilungsleiter sowie Marcel Gisler als stellvertretendem Geschäftsleiter. Jonas und Marcel lernten sich während der Weiterbildung an der TEKO kennen. «Zum ersten Mal sprachen wir über die Idee im Ausgang im Roadhouse in Luzern», schmunzelt Marcel. Für ihn kam Jonas’ Vorschlag zur richtigen Zeit. Der gelernte Polymechaniker EFZ arbeitete damals als Projektleiter in einem international tätigen Unternehmen. Er führte eine Abteilung, entwickelte Geschäftsprozesse und wurde sogar von einem erfahrenen Mentor persönlich gefördert. «Teil dieses grossen Unternehmens zu sein und dort Verantwortung zu tragen, gefiel mir sehr», so Marcel. Doch eine anstehende Konzernumstrukturierung brachte ihn dazu, eine neue Herausforderung anzugehen.
«Das Studium hat uns das Werkzeug mitgegeben, diesen Weg einzuschlagen.»
Jonas Hirzel
Als Team zum Ziel
Gemeinsam ging es an die Umsetzung und den Aufbau des Unternehmens. «Plötzlich trägt man eine enorme Verantwortung gegenüber Investoren, Mitarbeitenden und dem privaten Umfeld. Entscheidungen haben massive Konsequenzen. Damit mussten wir umzugehen lernen», erklärt Marcel. Dass sie dies als Team tragen konnten, hatte Vorteile – aber auch Hürden. Sie mussten Rollen klar definieren und unterscheiden, wann sie als Geschäftspartner und wann als Freunde agieren.
Rückblickend sagt Jonas über die Anfangszeit: «Ich wage zu behaupten, dass wir in einem Jahr in der Selbstständigkeit mehr gelernt haben als in drei Jahren Studium.» Und doch: «Das Studium hat uns das Werkzeug mitgegeben, diesen Weg überhaupt einzuschlagen.»
Das Resultat ist die Unlimital AG. Der Name ist Programm – ein Wortspiel aus «unlimitiert» und «Metall». Das Unternehmen kombiniert 3D Druck und KI Technologie, was im Gegensatz zur klassischen additiven Fertigung neue Designmöglichkeiten eröffnet. Dabei produziert Unlimital hochtechnische Anwendungen wie Kühllösungen, Teile für Rennautos, Vermessungsgeräte oder auch Atomuhren. Dabei hat sich das Unternehmen auf Produktentwicklung spezialisiert. «Wir fertigen nicht nur die bestellten Teile, sondern sind in die Engineering Teams unserer Kunden eingebunden», erklärt Jonas.
Viel im Austausch: Marcel Gisler (links) und Jonas Hirzel besprechen Kundenprojekte
Die Weltmeisterin
Auch Chantale hat ihre Nische gefunden – das sei für ihr Geschäft überlebenswichtig. «In unserer Branche gibt es eine ausgeprägte Betriebsdichte und jährlich machen unzählige neue Salons auf. Von denen existieren nach einigen Jahren oftmals nur noch wenige. Mir war klar, dass ich es richtig machen muss, wenn ich langfristig bestehen will.» Dabei half ihr die höhere Berufsbildung. Chantale lernte, wie man den Businesscase korrekt rechnet und Preise kalkuliert. «Ich habe zudem von Anfang an festgelegt, worauf ich mich fokussieren möchte und wo die Stärken meines Unternehmens liegen.» Ihr Salon versteht sich als Gesamterlebnis mit individueller Pflege und kreativen Arbeiten im Bereich Haar und Makeup.
Der Erfolg gibt ihr recht. Heute ist Chantale eine feste Grösse in der Branche. Ihr Salon hat sich einen Namen gemacht – nicht zuletzt dank ihren Erfolgen an Berufsmeisterschaften: Sie ist Schweizermeisterin, vierfache Weltmeisterin und zweifache Vizeweltmeisterin in verschiedenen Disziplinen. «Solche Titel öffnen Türen, auch bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden», weiss sie.
«Man muss auf seine eigene Ide vertrauenund auach bei Gegenwind daran festhalten.»
Chantale Ambühl
Hürden in der Anfangsphase
Der Weg dahin war nicht immer einfach. «Man muss auf seine eigene Idee vertrauen und auch bei Gegenwind daran festhalten», betont Chantale. Gerade weil sie ihre Vorstellung so konsequent verfolgte und auf Wettbewerbsteilnahmen setzte, erhielt sie von Mitbewerberinnen nicht immer nur Zuspruch.
Anders als bei Unlimital führt Chantale das Geschäft allein. Doch auch sie fand Wege, mit der Verantwortung umzugehen. Sie strukturiert ihren Tag klar: wann Administratives ansteht, wann Strategisches, wann sie am Stuhl arbeitet. Sie verteilte Verantwortlichkeiten im Team, lagerte einen Teil der Buchhaltung aus und bezieht ihre Mitarbeiterinnen bei grossen Entscheidungen mit ein.
Die einzige Konstante ist die Veränderung
Ein Blick in die Zukunft zeigt eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Unternehmen: Die Entwicklung geht weiter. Chantales Unternehmen wächst und zieht bald in einen grösseren Salon um.
Bei Unlimital wiederum will sich Marcel nach der spannenden Aufbauzeit aus der operativen Geschäftsleitung zurückziehen. «Für mich war nicht wie bei Jonas die Selbstständigkeit der Traum, sondern der Aufbau die Herausforderung. Nun ist es Zeit für eine neue.» Er bleibt dem Unternehmen jedoch als Verwaltungsrat und Mitinhaber erhalten.
Alle sind überzeugt: «Die höhere Berufsbildung gab uns nicht nur das Rüstzeug, sondern auch den Mut, unsere Visionen umzusetzen – damals bei der Gründung und heute bei der Weichenstellung für die Zukunft.»
Mein Weg
Chantale Ambühl
↑ Höhere Fachprüfung HFP Coiffeuse mit eidg. Diplom
↑ Berufsprüfung Coiffeuse mit eidg. Fachausweis
↑ Diplom-Handelsschule
↑ Coiffeuse EFZ
Jonas Hirzel
↑ Dipl. Techniker Unternehmensprozesse HF
↑ Konsturkteur EFZ
Marcel Gisler
↑ Dipl. Techniker Unternehmensprozesse HF
↑ Polymechaniker EFZ
An der Zebi
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