An der Hochschule Luzern startet im Herbst 2023 der Bachelor in Sozialer Arbeit neue Konzepte und Innovation. Bei der Entwicklung des Studiengangs ist Sozialpädagogin Sandra Niederberger dabei. Sie spricht über die Chancen, die Verknüpfungen mit der Praxis und Anschlussfähigkeit des neuen Angebots.
Sandra Niederberger, Sie sind Abteilungsleiterin bei der Stiftung Brändi in Horw. Was sind dort Ihre Aufgaben?
Meine Aufgaben sind sehr vielseitig. Der Schwerpunkt liegt in der Personalführung, ich leite zwei Teams von insgesamt zehn Personen. Ein kleiner Teil meines Pensums umfasst die direkte Alltagsbegleitung der Menschen mit Behinderungen in den Wohngruppen.
Weiter habe ich Aufgaben im Leitungsteam, wobei ich überwiegend sozialpädagogische, respektive agogische Fragen rund um die Begleitung von Menschen mit Behinderung im Wohnhaus thematisiere, Weiterbildungen organisiere oder auch Wohnhausziele mit dem Leitungsteam festlege. Stiftungsübergreifend bin ich zudem in einer Fachgruppe, die sich mit der agogischen Prozessgestaltung und agogischen Grundhaltung beschäftigt und dies laufend reflektiert.
Sie arbeiten zurzeit an der Implementierung des neuen Bachelorstudiengangs «Neue Konzepte und Innovation» mit. Was ist Ihre Motivation dabei?
Ich finde es spannend, sich Gedanken darüber zu machen, wie Wissen praxisorientiert vermittelt wird und wie Wissen in einem begleiteten Lernprozess so vermittelt werden kann, dass es sich Menschen je nach Interesse und Bedarf selbst aneignen können.
Worin besteht aus Ihrer Sicht der grösste Unterschied zum bestehenden Bachelorstudiengang?
Den Hauptunterschied sehe ich im soziokratischen Grundaufbau und dem damit verbundenen Aufbau des Lernprozesses im Studium durch selbstorganisiertes Lernen. Aufgrund der laufenden Entwicklung des neuen Studiengangs wird es sich noch zeigen, wie sehr sich dieser vom bestehenden Bachelorstudiengang unterscheidet. Ich könnte mir vorstellen, dass im neuen Studiengang auch Theorien Gewicht erhalten, die den individuellen Schwerpunkten entgegenkommen, je nach Interesse und Bedarf für ein Projekt bzw. einen Fall aus der Praxis.
Welche Chancen sehen Sie im neuen Bachelorstudiengang hinsichtlich der beruflichen Perspektiven?
Die Studierenden werden früher und auf andere Weise in die Praxis einbezogen. Ausserdem sehe ich es als ein großer Vorteil an, dass Studierende sich später für eine bestimmte Vertiefungsrichtung entscheiden können und so Einblicke in verschiedene Bereiche erhalten. Dadurch erhalten sie eine generalistische Ausbildung, die es ihnen ermöglicht, fallbezogen zu arbeiten. Die Hauptkompetenz sehe ich dabei, sich aus einem Fall aus der Praxis Wissen anzueignen, die Prozesse gemeinsam zu gestalten und dann auf den Fall anzuwenden. Dieser Fokus auf Transferprozesse von der Praxis in die Theorie sowie auch von der Theorie in die Praxis sehe ich als grossen Mehrwert für künftige Sozialarbeitende, woran sich ein Master in Sozialer Arbeit auch sehr gut anschliessen lässt.
Wer sollte den neuen Studiengang wählen und weshalb?
Das können Menschen sein, die gerne eigenen Interessen und Fragestellungen aus der Praxis vertieft nachgehen, die Freiheiten in der Gestaltung der Lernprozesse schätzen, früh praxisnah und anwendungsorientiert arbeiten und lernen. Hilfreich sind hierbei Lerntypen, die sich gut selbst strukturieren können, bzw. dies im Rahmen dieses Studiums lernen möchten.
Würden Sie den gleichen Studiengang nochmals wählen oder sich für den neuen Bachelor entscheiden?
Gerade weil ich berufsbegleitend und damit praxisnah studiert habe, würde ich mich heute für den neuen Bachelorstudiengang entscheiden. Der Einblick in verschiedene Handlungsfelder, wobei man sich nicht bereits für eine Vertiefungsrichtung entscheiden muss, aber noch mehr fall- bzw. praxisbezogen und interessengeleitet studieren kann, hat mich zudem überzeugt. In diesem Studiengang lernt man sich darüber hinaus selbst gut zu strukturieren, was ich als weitere Chance für künftige Professionelle Sozialer Arbeit sehe.
Welche Erfahrungen aus der Praxis und aus Ihrem Masterstudium können Sie bei der Entwicklung des neuen Bachelors einbringen?
Ich lerne im Masterstudium, wie etwas konzipiert wird und wie dazu notwendige Ressourcen erschlossen und eingesetzt werden. So haben wir im Masterstudium ein Projekt realisiert, bei dem wir ein Konzept zur Milieutherapie in der forensischen Psychiatrie erarbeitet haben. Hierbei lernte ich von Grund auf etwas zu entwickeln, was dann in der Praxis zur Anwendung kommt.
Weshalb braucht es solche neuen Studienformen?
Ich denke, dass es sich als Hochschule lohnt, verschiedene Studiengänge anzubieten, die unterschiedliche Bedürfnisse abholen. Zum einen Studiengänge, die eine fixe Struktur mit einem fixen Ablauf vorsehen, zum anderen solche, die eher offenes, exploratives Lernen ermöglichen. Letzteres hat in den letzten Jahren als selbstorganisiertes Lernen in der Bildungslandschaft an Bedeutung gewonnen, so bereits auf der Volksschulstufe.
Ich sehe auch Chancen darin, Lernprozesse ergebnisoffen, kooperativ und koproduktiv zu gestalten. Dort, wo Studierende gemeinsam mit Dozierenden, Praxisvertreter*innen und Adressat*innen zusammenarbeiten und voneinander lernen, können die unterschiedlichen Expertisen und Wissensformen optimal genutzt werden.
Von Aaron Rhyner