Weiterbildung

Höher, schneller, weiter – mit der höheren Berufsbildung

Das Bildungssystem der Schweiz bietet diverse Möglichkeiten, den eigenen Bildungsweg weiterzuführen. Erfolg versprechende, jedoch noch wenig bekannte Angebote sind jene der höheren Berufsbildung (HBB). Urs und Brigitte Dickerhof sprechen im Interview über die vielversprechenden Perspektiven der HBB.

Text: Daniela Barmettler / Bilder: Christoph Arnet
Erschienen im Zebi Magazin 2022, 29.10.2022

Urs Dickerhof ist Präsident der Interessengemeinschaft höhere Berufsbildung (IG HBB) in der Zentralschweiz und leitet seit über 30 Jahren zusammen mit seiner Frau Brigitte Dickerhof das Bildungszentrum für Massage und Kosmetik Dickerhof. Dort bieten sie mit dem Beruf Medizinische/r Masseur/in (eidg. Fachausweis) auch eine Ausbildung der höheren Berufsbildung an. Die höhere Berufsbildung umfasst drei verschiedene Angebote: die höheren Fachschulen, die höheren Fachprüfungen und die Berufsprüfungen. Dabei werden Qualifikationen vermittelt, die zum Ausüben einer anspruchs- und verantwortungsvollen Berufstätigkeit erforderlich sind.

Für wen eignet sich die höhere Berufsbildung?
Urs Dickerhof: Die Weiterbildungen richten sich an alle, die eine berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder eine Maturität abgeschlossen haben. Sie eignen sich besonders für Personen, die bereits im Berufsleben stehen, denn die Weiterbildungen finden meistens berufsbegleitend statt. Dabei kann man zwei unterschiedliche Wege einschlagen: den fachlichen Weg oder einen Führungsweg.

Können Sie ein Beispiel geben?
Urs Dickerhof: Eine Jugendliche, die das KV abgeschlossen hat, kann sich bis zur Treuhänderin mit eidgenössischem Fachausweis weiterbilden und sich somit fachlich in einem spezifischen Bereich vertiefen. Einen anderen Weg kann zum Beispiel der Maurer einschlagen: Er kann die Berufsprüfung zum Polier abschliessen und so in einer Bauunternehmung des Hoch- oder Tiefbaus eine leitende Funktion übernehmen und diese weiter ausbauen.


«WENN DIE MÖGLICHKEITEN EINER HÖHEREN BERUFSBILDUNG MEHR AUFMERKSAMKEIT BEKOMMEN, GEWINNT AUCH DIE BERUFSBILDUNG WIEDER AN ATTRAKTIVITÄT.»

Urs Dickerhof, Präsident der Interessengemeinschaft höhere Berufsbildung (IG HBB) in der Zentralschweiz



Die Möglichkeiten der höheren Berufsbildung scheinen also sehr vielseitig und branchenspezifisch zu sein.
Urs Dickerhof: Richtig. Die Anforderungen für einen Abschluss werden von den Branchen selbst definiert und haben somit eine hohe Akzeptanz im Arbeitsmarkt. Es sind alles eidgenössische Abschlüsse mit einem anerkannten Berufsbild.
Brigitte Dickerhof: Was von den Absolventinnen und Absolventen besonders geschätzt wird, ist der hohe Praxisbezug. Das Vermitteln von Kompetenzen und der direkte Wissenstransfer stehen im Zentrum der Weiterbildungen. Zudem kann man sich ein gutes und nachhaltiges Netzwerk unter Fachpersonen aufbauen. Dieses ist für die weitere Karriere ein grosser Vorteil.
Urs Dickerhof: Leider sind diese Aspekte sowie die Angebote der höheren Berufsbildung im Allgemeinen noch wenig bekannt. Die Unternehmen kennen zwar das Potenzial dieser Weiterbildungen, aber in der Bevölkerung ist diese Möglichkeit noch nicht verwurzelt.

Wissen Sie, woran das liegt?
Urs Dickerhof: Das hat etwas mit unserer Gesellschaft zu tun, die stark auf eine Akademisierung setzt. Zudem sind wir von Glaubenssätzen geprägt wie «Du kannst doch nicht dein Leben lang diesen einen Beruf ausüben» oder «Was willst du denn mit dieser Ausbildung machen?». Man vergisst, dass noch ganz andere Angebote im Zusammenhang mit einer Berufsbildung bestehen, und entscheidet sich dann lieber für eine Maturität. Gerade in der aktuellen Wirtschaftslage zeigt sich das sehr deutlich: Berufsfachleute fehlen. Wenn die Möglichkeiten einer höheren Berufsbildung mehr Aufmerksamkeit bekommen, gewinnt auch die Berufsbildung wieder an Attraktivität.

Sie bieten in Ihrer Schule Dickerhof selbst eine Weiterbildung der höheren Berufsbildung an und haben Einblick in die Praxis. Zeigt sich dieses Bild auch dort?
Brigitte Dickerhof: Von den zahlreichen Studierenden unseres Bildungszentrums absolvieren jährlich ungefähr 40 Personen den Vorbereitungskurs Medizinische/r Masseur/in mit eidgenössischem Fachausweis. Wir stellen fest, dass die Berufe der höheren Berufsbildung oft unterschätzt werden. Aber gerade als Medizinische Masseurin oder Medizinischer Masseur hat man sehr gute Karriere- und Einkommenschancen. Zudem ist es ein Beruf mit Zukunft.

Die Zebi soll dem nun Abhilfe schaffen.
Urs Dickerhof: Genau. Mit dem ersten «Tag der höheren Berufsbildung» an der Zebi will die IG HBB die höhere Berufsbildung zielgerichteter darstellen und die Vorteile dieses Bildungswegs aufzeigen. Zudem bietet die Zebi die beste Gelegenheit, sich einen Überblick zu verschaffen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen.


Die höhere Berufsbildung im Überblick

Jährlich erwerben schweizweit rund 26’700 Personen einen Abschluss im Bereich der höheren Berufsbildung. Diese gehören zur Tertiärstufe B und umfassen:

  • Berufsprüfungen mit eidgenössischem Fachausweis
  • Höhere Fachprüfungen mit eidgenössischem Diplom
  • Höhere Fachschulen mit Diplom HF

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