Zebi-Magazin Zebi 2023

… und dann Lehrer

Matura, Pädagogische Hochschule, unterrichten. Dies ist der klassische Ausbildungsweg einer Lehrperson. Doch dieser Weg wird immer flexibler – so wie jener von Patrick Pons. Er wechselte vom Büro ins Schulzimmer. Für solche Fälle haben die Pädagogischen Hochschulen neue Bildungswege parat.

Text: Irene Reis / Bilder: Christoph Arnet
Erschienen im Zebi Magazin 2023, 04.11.2023

Patrick Pons ist 46-jährig, Familienvater, wohnt in Luzern. Er ist gross, trägt Sneakers, Jeanshemd, Chinohosen, Brille und hat einen Stoffbeutel mit Unterlagen über der Schulter. Er ist kommunikativ, aber überlegt, wirkt lässig, aber bestimmt. Er sieht aus, als würde er schon sein ganzes Berufsleben im Schulzimmer stehen. Doch tatsächlich tut er dies erst seit knapp drei Monaten. Patrick Pons ist Quereinsteiger im Lehrberuf. Und damit nicht allein.

40 Prozent Quereinsteiger

Wie die Pädagogische Hochschule (PH) Luzern bestätigt, sind es bereits 40 Prozent der Studierenden im ersten Studienjahr, die über einen anderen Weg als die Matura oder Fachmatura Pädagogik an die PH Luzern kommen. Und: «Die Bedeutung des sogenannten erweiterten Aufnahmeverfahrens für Quereinsteigende nimmt zu», bestätigt Reinhard Hölzl, Prorektor Ausbildung der PH Luzern. Beispielsweise habe sich der Anteil Personen, die «sur dossier» (siehe Box) aufgenommen wurden, in den letzten vier Jahren nahezu vervierfacht – von 2,4 auf 9,2 Prozent. «Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung eines Quereinstiegs auch weiterhin wachsen wird», schätzt Reinhard Hölzl ein.

Unterrichten oder schreiben

Patrick Pons machte 1996 in Sarnen die Matura. «Schon damals interessierte ich mich für den Lehrerberuf und hätte mir eine Ausbildung zum Sportlehrer vorstellen können», erklärt er. Durch Leichtathletik und Unihockey in seiner Freizeit fühlte er sich wohl beim Sport. Eine weitere Nebenbeschäftigung des damaligen Schülers war das Schreiben: Zeitungsberichte für Lokalblätter.


«Die Jugend ist unsere Zukunft. Sie hat es heute nicht leicht, steht bezüglich Berufswahl und Leistung sehr unter Druck. Ich finde die Vorstellung bereichernd, junge Menschen in dieser Lebensphase begleiten zu können.»

Reinhard Hölzl


Und so wurde es nach der Matura schliesslich ein Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Freiburg. Das Unterrichten begleitete ihn aber weiter: als Trainer von Unihockey-Junioren und später sogar einer Nati-A-Mannschaft, was ihn nach Zürich führte.

Spannender Job

Dort bestritt er auch den allergrössten Teil seines weiteren Berufswegs. Dieser führte ihn in den folgenden Jahren von der Verlags- und Redaktionsleitung von NGOs in Luzern über die Stelle als stellvertretender Kommunikationsleiter des Schul- und Sportdepartements der Stadt Zürich bis schliesslich zum Finanzdepartement der Stadt Zürich, wo er als Leiter die gesamte Kommunikation verantwortete. Über seine letzte Stelle sagt er: «Ich hatte einen richtig spannenden Job, war direkt in die politischen Entscheide des Stadtrats eingebunden, durfte interessante Projekte begleiten und hatte ein eingespieltes Team.»

Von der Führungsposition ...

Knapp zehn Jahre lang hatte er diese Stelle inne, dann schlich sich die Routine ein. Für die nächsten 20 Arbeitsjahre darin verharren – für Patrick Pons keine Option. «Obwohl ich sehr gerne dort arbeitete, wurde die Frage immer präsenter: Was kommt als Nächstes?»

Dieser Frage ging er zusammen mit der Berufs- und Laufbahnberatung des Kantons Luzern auf den Grund. Aus den Analysen und Gesprächen resultierten verschiedene Richtungen. «Es ist wirklich spannend, was alles herauskommt, wenn man sich eingehend mit sich selbst beschäftigt.»

Was ihn schon vor vielen Jahren reizte, wurde nun wahr: Er entschied sich für den Lehrerberuf. «Die Jugend ist unsere Zukunft. Sie hat es heute nicht leicht, steht bezüglich Berufswahl und Leistung sehr unter Druck. Ich finde die Vorstellung bereichernd, junge Menschen in dieser Lebensphase begleiten zu können.»

… an die Hochschule…

Also startete er im Sommer 2022 ein Studium an der PH Luzern. Mit seinem Universitätsabschluss und der langjährigen Berufserfahrung kann er das Studium verkürzt und berufsbegleitend machen. Als massgeschneiderte Ausbildung an der PH Luzern entpuppte sich der konsekutive Master, wo er zwei statt vier Unterrichtsfächer absolviert. Dies ist eine von mehreren Möglichkeiten für Quereinsteigende (siehe Box).

Patrick Pons schätzt diese Möglichkeit, insbesondere, weil er sie berufsbegleitend machen kann und dadurch ein regelmässiges Einkommen hat: «Darauf bin ich angewiesen, als Familienvater stehe ich im Leben an einem anderen Ort als ein 22-Jähriger.»

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Dieses Argument kennen auch die Verantwortlichen bei der PH Luzern. Reinhard Hölzl erklärt: «Quereinsteigende haben oft ein klares Ziel, das sie unter Umständen auch mit familiären Verpflichtungen verfolgen möchten. Sie sind für ein Einkommen verantwortlich und müssen die Anforderungen eines Studiums, stellen Herausforderungen dar.» Die PH Luzern versuche in solchen Fällen, mit Studienzeiterstreckung oder individuellen Studienplanungen zu unterstützen.

… und ins Klassenzimmer

Im Fall von Patrick Pons sah dies so aus: Während des ersten Semesters hat er im gewohnten Pensum in Zürich gearbeitet. Im zweiten Semester hat Patrick Pons in zwei Praktika im Rahmen der Ausbildung erste Erfahrungen als Lehrperson gesammelt. Seit diesem Schuljahr steht er von Montag bis Mittwoch als Fachlehrer im Klassenzimmer der Sekundarschule Kirchbühl in Kriens. Von Mittwochnachmittag bis Freitag drückt er selbst die Schulbank.

Auf die Frage, ob er sich das Unterrichten nicht auch ohne Studium zutrauen würde, sagt er klar: «Es ist richtig, dass es eine Ausbildung für das Berufsbild gibt. Das Unterrichten ist komplexer und vielfältiger, als viele denken, und die richtige Methodik wichtig. Der Lehrberuf hat einen Wert. Und der soll mit der richtigen Ausbildung gewahrt werden.»

Die Vor- und Nachteile

Doch welcher Weg ist nun der beste? Vergleichen will Patrick Pons nicht – ausser: «In den gemischten Modulen erkennt man uns Quereinsteiger auch mal wegen der ausgedruckten und schon bearbeiteten Unterlagen. Junge Studierende sind kaum noch analog unterwegs», schmunzelt er.


«Ich finde die Vorstellung bereichernd, junge Menschen in diese Lebensphase begleiten zu können.»

Patrick Pons


In der Berufserfahrung sowie seiner angeeigneten Arbeitsstruktur sieht er einen grossen Vorteil. Auch im parallelen Unterrichten sieht er Vorteile: «Ich kann Gelerntes sofort umsetzen und es ist schon krass: Vor der Klasse zu stehen ist wie vor einem Spiegel zu stehen – ich kriege unmittelbar Feedback der Jugendlichen. So ist meine Lernkurve riesig.»

Dagegen habe er sich wieder an das Lernen gewöhnen müssen und er gibt zu bedenken: «Die Vereinbarkeit von Job, PH und Familie ist anspruchsvoll und erfordert eine gute Planung.»

Klares Ziel

Reinhard Hölzl von der PH Luzern bilanziert: Quereinsteigende zählen mittlerweile zur kritischen Masse, stellen also einen relevanten Anteil dar. «Mit der Berufserfahrung kommt meist auch eine gewisse Lebenserfahrung mit ins Spiel, die sowohl im Studium wie auch in der Berufsausübung wertvoll ist. Zudem haben Quereinsteigende oft ein klares Ziel vor Augen und bringen eine hohe Motivation mit.»

Genau diese ist bei Patrick Pons spürbar: «Das Unterrichten ist einfach eine noble, sinnstiftende Aufgabe.»


ANGEBOTE FÜR QUEREINSTEIGENDE

Aufnahme «sur dossier»

Voraussetzungen: mind. 27 Jahre alt; anerkannte Ausbildung auf Sekstufe II, z.B. dreijährige Berufslehre; mindestens drei Jahre Berufserfahrung

Zutritt: Dossier einreichen; Bestehen eines Assessments

Aufnahme durch Vorbereitungskurse

Voraussetzungen: dreijährige Berufslehre EFZ; mindestens zwei Jahre Berufserfahrung; oder Wirtschafts- oder Fachmittelschule; oder Berufs- oder Fachmaturität

Zutritt: Vorbereitungskurs; Bestehen einer Aufnahmeprüfung

Direkter Zugang

Voraussetzung: Hochschulabschluss oder Berufserfahrung in spezifischen Studienprogrammen

Zutritt: direkt zum konsekutiven Master oder verkürzten Studienprogramm (gemäss individuellen Voraussetzungen der Bewerbenden)

Angebote für Unterrichtende ohne Lehrdiplom

Mit folgenden Angeboten versucht die PH Luzern die Schulen bei der angespannten Situation bezüglich Lehrpersonen-Knappheit zu unterstützen: Einführungskurs in den Sommerferien / Praxisgruppe zum Austausch / Einzelcoaching

Quelle: Pädagogische Hochschule Luzern


Mein Weg

Masterstudium Sekundarstufe I

Leitungsfunktionen im Bereich Kommunikation


Master in Gesellschaftswissenschaften


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